| Forum Politikunterricht - Deutsche Vereinigung für Politische Bildung - Landesverband BayernApril 2011 Das Gymnasium in Bayern - Die Zeitschrift des Bayerischen Philologenverbandes März 2011 Rezension von Theo Emmer, Parsberg Die Neuerscheinung handelt vom Leben des Josef R., von dessen Ehefrau und dem kleinen, ohne Vater aufwachsenden Sohn. Josef R. schloss sich 1933 als 18-jähriger Musikbegeisterter den Spielmannszügen von SA und SS an und war stolz darauf, in Uniform aufzutreten. Dies legte sich aber mehr und mehr, als er dieses Gewand gegen eine Wehrmachtsuniform eintauschen und je länger er im Zweiten Weltkrieg Dienst an der Ostfront leisten musste. Von dort schrieb er unzählige Briefe an seine Lieben in der Heimat. Wenige herausgegriffene Sätze spiegeln seine Haltung wider: "Ich denke mir bloß immer, wie schrecklich es wäre, wenn es euch zu Hause so ginge wie den Russen hier" (Sommer 1942), "Glaubst nicht, wie einem [!] das Leben hier ...ankotzt. [...] Das Denken darf man ja gar nicht anfangen" (April 1944), "Dieser verdammte Krieg müsste halt bald aus sein" (in Variationen immer wieder). Diese ehrlichen Worte waren riskant, denn wären die Briefe von der Zensur gelesen worden, wäre er strengstens bestraft worden. Zu Hause hatte ihm seine Frau einen Sohn Günter geboren, den er nur bei zwei Heimaturlauben sehen sollte. Mitte 1944 fiel Josef R. an der "Ostfront". Das Buch endet aber nicht damit, sondern erzählt weiter: vom Kriegsende in Amberg, vom Leben der jungen Witwe mit dem kleinen Kind, von Entbehrungen der unmittelbaren Nachkriegszeit, von der Entnazifizierung, von der Kindergarten- und Schulzeit des kleinen Günter R. Dass es sich dabei trotz des fehlenden h im Vornamen und des abgekürzten Nachnamens um den Autor handelt, ist offensichtlich; aber die Publikation ist keine rührselige Familiensaga, sondern geht weit über das Persönliche hinaus und erzählt den Alltag in der kleinen Stadt Amberg (das austauschbar ist) im Nazi-Deutschland und in den Nachkriegsjahren. Und es berichtet ebenso von mutigen Oberpfälzern, die sich den Nazis widersetzten, wie von (") Vergangenheitsbewältigung (") bis 1959: hierbei wenigstens vom Ansatz her ernsthafte Versuche, aber auch ein Oberbürgermeister, der sowohl in der NS-Zeit - natürlich für die NSDAP - als auch in den 1950er Jahren als Parteiloser für eine rechtsextreme Splitterpartei amtierte. Das Buch basiert auf jahrelanger akribischer Recherchearbeit in mehreren Archiven, alten Zeitungen und der wissenschaftlichen Literatur. Mehr als 500 Feldpostbriefe wurden ausgewertet. Über 500 Anmerkungen und ein umfangreiches Literaturverzeichnis belegen das, ferner hat der Autor zahlreiche Fotos und Auszüge aus Feldpostbriefen aus seinem Privatarchiv abgedruckt - eine reiche Fundgrube bisher unveröffentlichten Materials für den Unterricht. Rambach hat somit eine verdienstvolle wissenschaftliche Arbeit zu einem bislang nur rudimentär erforschten regionalen Schwerpunktthema vorgelegt, die aber durchaus kein trockenes Geschichtswerk ist. "Geschichte muss sich dem Leser einprägen. Und dazu bedarf es dramatischer Geschichten und Situationen. Deshalb stehen spannende Konstellationen mit tätigen und leidenden Menschen im Mittelpunkt von 'Hakenkreuz und Martinskirche'. Eine bewusste Emotionalisierung soll ... erreicht werden", so der ehemalige Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde am Max-Reger-Gymnasium Amberg. Seine wissenschaftlich fundierte "Geschichtserzählung" ist folglich auch für einen größeren Kreis außerhalb der Expertenszene gut lesbar, insbesondere für Jugendliche, und eignet sich auch von daher bestens für einen Unterricht "gegen das Vergessen". |
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