Mittelbayerische Zeitung 14.1.2011

Historiker packt auch das "heiße Eisen" Filbig an

Vorstellung "Hakenkreuz und Martinskirche" - Günther Rambach legt ein längst überfälliges Werk vor, das den Zeitraum 1933 bis 1959 abdeckt.

VON HELMUT R. SCHEUCK

Amberg. Allein der Titel lässt den historisch Interessierten im Allgemeinen und den Stadtgeschichtler im Besonderen aufhorchen. Denn das Buch von Günther Rambach "Hakenkreuz und Martinskirche" weist gleichermaßen sowohl auf den Alltag der Menschen, auf die Differenzen des Regimes mit der Katholischen Kirche, als auch auf das Wirken im politischen Zentrum Amberg hin.

    Liegt neben der Martinskirche doch der Marktplatz mit dem Rathaus. Dieses bürgerliche Machtzentrum spielte bekanntermaßen eine gewichtige Rolle bei der Verbreitung der Nazidoktrin ab 1933; auch in Amberg. Im Untertitel gibt der Autor auch die Zeit an, die er mit seinem vorliegenden Werk abhandelt "Schicksalsjahre in der Oberpfalz 1933 bis 1959". Die Zeitspanne umfasst also das Jahr der Machtergreifung Hitlers und endet 1959, mitten im Wirtschaftswunder und im "Kalten Krieg".

Wie aus Nazis "Demokraten" wurden

Für die Nachkriegszeit wurden die alten Eliten herangezogen, die per se beim Aufbau der Demokratie nicht mehr hätten zum Zuge kommen dürfen. So verwundert es nicht weiter, wenn der Autor aufzeigt, wie sich die alten Nazis, begünstigt durch die Entstehung des "Kalten Kriegs" Ende der 40er Jahre den sogenannten "Persilschein" erwarben. Also wurden die Verstrickungen der Protagonisten in Justiz, Medizin und andere Institutionen in der Nazidiktatur kaum aufgearbeitet.

    Nach anfänglich harten Urteilen durch die Spruchkammern zur Entnazifizierung mutierten bei eingelegten Widersprüchen die Täter schnell und gleichsam über Nacht zu Mitläufern. Etwa so geschehen bei dem Nazioberbürgermeister Josef Filbig, der dadurch sogar nach dem Krieg in der jungen Demokratie sich noch einmal der Wahl stellen konnte und wiederum Stadtoberhaupt wurde.

    Da Filbig in Amberg sehr umstritten ist, hat Rambach damit ein heißes Eisen angefasst, das er jedoch sehr hintergründig und verständlich in seinem Buch aufarbeitet. Aber auch die Rolle der Katholischen Kirche greift Rambach auf. War sie letztendlich doch nicht so tätig, wie man sich das als Katholik hätte erwarten können. Nach anfänglichen Spannungen konnte Hitler durch einen geschickten Schachzug, nämlich das "Reichskonkordat", das er 1933 mit dem Vatikan abschloss, diese Institution ruhig stellen. Die Kirchenoberen arrangierten sich bis auf wenige Ausnahmen. Die Pfarrer bekamen einen Maulkorb und sollten sich nicht politisch äußern und auch nicht tätig werden dürfen.

  Auch in Amberg finden sich fortan die Uniformen von SA und SS bei allen kirchlichen Festen unter den Teilnehmern. Dies suggerierte der Bevölkerung, die ja streng katholisch war, dass es wohl nicht so schlimm mit den Nazis werden würde, wenn sie sogar von der Katholischen Kirche akzeptiert wurden.

   Rambach betrachtet als studierter Historiker und Soziologe nicht nur die geschichtlichen Abläufe jener Jahre, sondern auch die soziale Situation in dieser Zeit. Mit dem Beispiel des Soldaten Josef R. zeigt er auf, wie schnell Menschen der verhängnisvollen Ideologie verfielen.

   Josef R. war seit seiner Jugend begeisterter Musiker und kam zur SA und SS, indem er deren Spielmannszügen beitrat. Unbemerkt für sich selbst ließ er sich von der geschickt aufgebauten Maschinerie einspannen und fand sich wie Millionen andere im Zweiten Weltkrieg wieder. Aus diesem sollte er nicht mehr zurückkehren. Abschließend beschreibt der Autor die Nachkriegszeit in der Stadt an der Vils. Es herrschte an vielem Lebensnot-wendigen großer Mangel. Flüchtlinge aus den Ostgebieten verschärften die Wohnungs-not. Es gab nicht genügend zu Essen und auch mit der Arbeit war es anfänglich nicht weit her.

Geschichte wird nachvollziehbar

Und noch einmal durchleuchtet der Autor auch die Rolle der Kirche in dieser Nachkriegs-ära. Zusammengefasst ist hier ein Werk vorgelegt worden, das in Ambergs Geschichte eine Lücke schließt, die bis dato weitgehend ausgeklammert wurde. Die Deutschen tun sich nach wie vor schwer mit der Vergangenheitsbewältigung in Sachen Drittes Reich. Immer wieder deutlich nachvollziehbar wird dies, wenn es um Josef Filbig geht. Man denke nur an die Diskussionen in jüngster Vergangenheit, ob dessen Porträt im Rathaus hängen bleiben soll oder nicht. Nachdem von Zeit zu Zeit die Woge der Entrüstung aufkommt, verebbt diese meist schnell.

   Rambach zeigt Hintergründe auf, eben wie sich ein Mann wie Filbig im Dritten Reich und auch danach in der Demokratie wiederum als Stadtoberhaupt in Szene setzen konnte. Durch die Schilderungen des Alltags erfährt der Leser nicht nur sehr viel aus jenen Jahren, sondern das macht das Buch lesenswert.

Galerie ehem. OB im Rathaus Filbig 2.v.l. OB 1952

 

Festprogramm; Filbig Oberbürgermeister

 

900- Jahrfeier

 

Haus der Kreisleitung bis 1945

 

 

 

Filbig,links, OB 1933